Donnerstag, 21. Januar 2010

Vormärz/Biedermeier

1.Definition

Biedermeier ist eine Bezeichnung für die deutsche Kultur zwischen 1815 und 1848 , besonders für Möbel , Malerei und Mode. Sie ist nach der von dem Schriftsteller Ludwig Eichrodt (1827-92) geschaffenen, spießbürgerlichen Figur des schwäbischen Schullehrers „Gottlieb Biedermaier“ benannt.

2. Ereignisgeschichte:
Die Zeit des Biedermeiers war eine Zeit des politischen Aufbegehrens und der der Unterdrückung. Nachdem Kaiser Napoleon verbannt worden war, wurde auf dem Wiener Kongress der Deutsche Bund gegründet, die lockere nationale Klammer um die 39 Einzelstaaten. Deutsche Fürsten setzten sich dafür ein, dass die Verhältnisse, die vor der französischen Revolution geherrscht hatten, wiederhergestellt wurden (Restauration). Das „junge Deutschland“, also die Studenten, Professoren und Künstler, die nach Freiheit und politischer Einheit strebten, wurden gemaßregelt. Die Burschenschaften (Studentenverbindungen) wurden aufgrund der Karlsbader Beschlüsse verboten, Buch- und Pressezensur wurde eingeführt, sowie eine Überwachung von Universitäten durch Spitzel. Grund hierfür war die Revolutionsangst. Die Epoche endete mit einer erfolgslosen Märzrevolution, 1848 und wird aufgrund dieser Revolution auch "Vormärz" genannt.

3. Kunst




"Der arme Poet" ist das bekannteste Werk von carl Spitzweg (1808-1885). Es gilt als das "personifizierte Biedermeier". Der abgebildete Dichter wurde gerne als liebenswerter Kauz belächelt. Es gibt aber auch eine andere Sichtweise: " Wir übersehen dabei leicht , wie verzweifelt die Situation für den Betroffenen ist. Ein Teil seiner Manuskripte hat er anscheinend schon verbrannt, trotzdem ist der Ofen kalt. Draußen liegt Schnee. Im Bett muss der Dichter ein wenig Wärme suchen, dies unter undichtem Dach. Sogar die Tinte geht zur Neige. Wahrscheinlich schreibt der Dichter in der verzweifelten Hoffnung, etwas Geld einzunehmen und seine bescheidenen Lebensverhältnisse zu befriedigen. Wer in der ersten Hälfte des 19ten Jahrhunderts kein Geld verdiente, dem half keine Versicherung und keine Armenunterstützung. Er befand sich in einer wirklich lebensbedrohlichen Situation. "(Gerhard Schildt; Aufbruch aus der Behaglichlkeit)






Biedermeierpaar mit Kindern (Ferdinand Waldmüller, 1835)
"Das allerbester aber war der Sonnabendabend, den der Vater in einem Verein zubrachte. Während wir sonst unser Butterbrot zeitig bekamen und dann bald ins Bett mußten, durften wir an diese´m Abend mit der Mutter am zierlich gedeckten Tisch Tee trinken. Dann aber kam das beste. Neben ihr auf dem Sofa sitztend lauschten wir den allerliebsteben Geschichten."(Margarete Lenk, Aus meiner Kindheit)






3.1 Musik

Wie oben erwähnt, wandten sich viele Menschen von der Politik ab. Um sich von der sozialen Lage und der unsicheren politischen Situation abzulenken, stellte man seine eigenen und privaten Interessen in den Vordergrung. So kam es, dass Hausmusik und Kammermusikstücke, sowie Walzer und Ballett beliebter wurden. Bei leichter und heiterer Musik (z.b. Wiener Walzer) konnte man sich gut amüsieren. Es wurde mehr und mehr Klavier gespielt und „Gesangstars“ wie Henriette Sontag und Jenny Lind wurden gefeiert. Wien wurde zur klassischen Weltstadt der Musik. Bedeutende Musiker waren Carl Ludwig Heinrich Berger, Christian Heinrich Rinck und Leopold Schefer. Johann Strauß und Franz Schubert konnten sich an großer Beliebtheit erfreuen.

http://www.youtube.com/watch?v=FkoRSojz7_g

http://www.youtube.com/watch?v=sXGgKiYSVuE
4.Autoren und Werke

4.1 Biedermeier

Die biedermeierliche Lyrik zeichnet sich sowohl in ihrer Form , als auch in ihrem Inhalt vor allem durch Einfachheit und Volksliedhaftigkeit aus. Wichtige Themen waren : Liebe, Religion, Vergänglichkeit, Entsagung und häusliches Glück.

Wichtige Autoren: Franz Grillpanzer, Eduard Mörike, Nikolaus Lenau, Anette von Dorste Hülshoff

Anette von Dorste Hülshoff


(1797-1848)

Annette von Droste-Hülshoff stammte aus dem altwestfälischen, katholischen Adel.
Annette von Droste-Hülshoff führte ein zurückgezogenes und eingeengtes Leben. In ihrer Kindheit und Jugend kränklich, bedingt durch ihre Frühgeburt, wurde sie in den Jahren 1812 bis 1819 von Professor Anton Matthias Sprickmann unterrichtet und gefördert.
Eine erste größere Reise führte sie 1825, ein Jahr vor dem Tod ihres Vaters, an den Rhein nach Köln, Bonn und Koblenz. In Bonn, wo ihr Vetter Clemens August von Droste-Hülshoff lebte, verband sie eine Freundschaft mit Sibylle Mertens-Schaaffhausen; zu deren Freundeskreis zählten außer Annette von Droste-Hülshoff Johanna und Adele Schopenhauer sowie Goethes Schwiegertochter Ottilie.
Annette von Droste-Hülshoff nahm ihre literarische Arbeit sehr ernst und war sich bewusst, große Kunst zu schaffen. Ihre Balladen wurden berühmt (Der Knabe im Moor), wie auch ihre Novelle Die Judenbuche. Ein wichtiges Dokument tiefer Religiosität ist ihr Gedichtzyklus „Das geistliche Jahr“, in dem aber - typisch für die Zeit - auch die Zerrissenheit des Menschen zwischen aufgeklärtem Bewusstsein und religiöser Suche gestaltet wird. Die Ausführungen in diesem Werk werden heute als biographisch erachtet, da sie über 20 Jahre an dem gesamten Zyklus arbeitete.


Gefangen in ihrer von Milieu, materieller Not und triebhaftem Denken und Fühlen bestimmten Welt, sind die Personen in ihrer Meisternovelle "Die Judenbuche".Bekannt wurden außerdem Annette von Droste-Hülshoffs Balladen und Gedichte, etwa die Sammlung "Heidebilder", zu der auch die bekannte Ballade "Der Knabe im Moor" (1842) zählt.


Der Knabe im Moor
O schaurig ist's übers Moor zu gehn,
Wenn es wimmelt vom Heiderauche,
Sich wie Phantome die Dünste drehn
Und die Ranke häkelt am Strauche,
Unter jedem Tritte ein Quellchen springt,
Wenn aus der Spalte es zischt und singt,
O schaurig ist's übers Moor zu gehn,
Wenn das Röhricht knistert im Hauche!

Fest hält die Fibel das zitternde Kind
Und rennt, als ob man es jage;
Hohl über die Fläche sauset der Wind -
Was raschelt drüben am Hage?
Das ist der gespenstische Gräberknecht,
Der dem Meister die besten Torfe verzecht;
Hu, hu, es bricht wie ein irres Rind!
Hinducket das Knäblein zage.

Vom Ufer starret Gestumpf hervor,
Unheimlich nicket die Föhre,
Der Knabe rennt, gespannt das Ohr,
Durch Riesenhalme wie Speere;
Und wie es rieselt und knittert darin!
Das ist die unselige Spinnerin,
Das ist die gebannte Spinnlenor',
Die den Haspel dreht im Geröhre!

Voran, voran! nur immer im Lauf,
Voran, als woll' es ihn holen;
Vor seinem Fuße brodelt es auf,
Es pfeift ihm unter den Sohlen
Wie eine gespenstige Melodei;
Das ist der Geigemann ungetreu,
Das ist der diebische Fiedler Knauf,
Der den Hochzeitheller gestohlen!

Da birst das Moor, ein Seufzer geht
Hervor aus der klaffenden Höhle;
Weh, weh, da ruft die verdammte Margret:
»Ho, ho, meine arme Seele!«
Der Knabe springt wie ein wundes Reh;
Wär' nicht Schutzengel in seiner Näh',
Seine bleichenden Knöchelchen fände spät
Ein Gräber im Moorgeschwehle.

Da mählich gründet der Boden sich,
Und drüben, neben der Weide,
Die Lampe flimmert so heimatlich,
Der Knabe steht an der Scheide.
Tief atmet er auf, zum Moor zurück
Noch immer wirft er den scheuen Blick:
Ja, im Geröhre war's fürchterlich,
O schaurig war's in der Heide!


4.2 Vormärz

Aus dem historischen Hintergrund geht hervor, dass es in dieser Epoche zwei unterschiedliche Ströme gab. Zum einen wollten die Monarchen ihre alte Herrschaft, welche durch die Französische Revolution und Napoleon gefährdet wurde, wieder aufrichten. Zum anderen gab es Revolutionäre, die nicht an der alten Ordnung festhalten, sondern ihre Ideen des Liberalismus, Nationalismus und der Demokratie durchsetzen wollten.

Die Menschen lebten also in einer Welt voller politischen Spannungen.
Die Literatur wird sehr stark von dem Chaos der sich zerstreitenden Gesellschaft geprägt.

Es gibt biedermeierliche Autoren, die eine konservative Haltung pflegen und idealistisch sind: sie sind heimatverbunden, pflegen das Althergebrachte, suchen die Idylle, die kleinen Freuden des Alltags und leben in der Erinnerung an eine bessere Vergangenheit. Ihre Texte klingen deshalb oft schwermütig.

Ihnen stehen die vormärzlichen Autoren mit einer progressiven Haltung gegenüber. Sie sind realistisch, polit-kritisch, revolutionär, lehnen Tradition ab und sind auf der Suche nach Freiheit. Es sind diese Autoren die eine Veränderung am bestehenden System und nicht in eine idyllische Welt tauchen wollten, sondern über die tatsächliche Gegenwart schrieben, aber gerade deswegen wurden einige ihrer Texte verboten. Sie schrieben für die Pressefreiheit, für das Recht auf Freiheit und Gleichheit der Bürger und für eine demokratische Verfassung.

Die Dichter und Schriftsteller konnten sich am besten in der Epik – wegen ihrer Regelfreiheit – ausdrücken. Epik bezeichnet die erzählende Dichtung/ Literatur in Vers- und Prosaform. Auch die informierende, unterhaltende und politisch aufklärende Reiseliteratur (auch Reisebericht genannt) ist eine Literaturgattung dieser Epoche. (Heinrich Heine "Deutschland. Ein Wintermärchen.")

Zudem kommen

die politische Lyrik (Georg Herwegh „Aufruf“)

der Zeit- und Gesellschaftsroman,

das Geschichtsdrama (Christian Dietrich Grabbe „Napoleon oder Die Hundert Tage“),

soziale Drama (Georg Büchner „Woyzeck“),

die Novelle und

der Beginn der sozialistischen Literatur (Karl Marx, Friedrich Engels).




Karl Georg Büchner







geboren: 17. Oktober 1813 in Goddelau, Großherzogtum Hessen

gestorben: 19. Februar 1837 in Zürich

Schriftsteller, Naturwissenschaftler

Mit seinem Vater, einem Arzt, kam er nicht gut aus, da dieser ein Anhänger Napoleons war.
Georg Büchner war ein guter Schüler am Gymnasium. Er erzielte hervorragende Leistungen in Griechisch und Latein, doch sein Interesse galt eher den Naturwissenschaften und nicht den alten Sprachen. In Mathematik war er trotzdem nicht sonderlich interessiert: "Lebendiges! Was nützt mir der tote Kram?" lautete eine Randnotiz in seinem Heft. Am intensivsten befasste er sich mit Geschichte, vorallem der Französischen Revolution.
Als Student an der medizinischen Fakultät der Universität Straßburg erlebte er, wie geschlagene Generäle des Aufstandes der unterdrückten Polen empfangen wurden. Daraufhin trat er immer häufiger für politsche Freiheit ein.
1833 musste er die Universität wechseln (aufgrund der begrenzt erlaubten Zeit des Auslandsstudiums). Dadurch erlebte er die vorherrschende Situation in Deutschland und wollte nicht länger als Außenstehender zusehen, wieviel Macht der Adel hatte und wieviel Ungerechtigkeit in diesem Land herrschte. Zudem kritisierte er das Junge Deutschland (Studenten): sie würden ihre Ideen nicht radikal genug versuchen durchzusetzen und keine Bürger in ihre Burschenschaften aufnehmen. Deshalb schloss er sich mit weiteren Studenten (darunter Freunde wie August Becker und Friedrich Jacob Schütz - beide Revolutionäre) und Handwerkern zusammen und gründete die "Gesellschaft für Menschenrechte", eine geheime Organisation, die nach französischem Vorbild das vorherrschende politische Verhältnis stürzen sollte.
Büchner schrieb, um die Bürger zur Revolution gegen die Unterdrückung anzustacheln. Unteranderem schrieb er "Dantons Tod", welches das Scheitern der Französischen Revolution schildert. Es folgten weitere Werke, wie "Woyzeck", welches als eines der einflussreichsten Dramen in der deutschen Literatur beschrieben wird. Es handelt sich hierbei jedoch um ein Fragment.

Hier ein Auszug:

Beim Hauptmann


Hauptmann auf dem Stuhl, Woyzeck rasiert ihn.

HAUPTMANN: Langsam, Woyzeck, langsam; eins nach dem andern! Er macht mir ganz schwindlig. Was soll ich dann mit den 10 Minuten anfangen, die Er heut zu früh fertig wird? Woyzeck, bedenk Er, Er hat noch seine schönen dreißig Jahr zu leben, dreißig Jahr! Macht dreihundertsechzig Monate! und Tage! Stunden! Minuten! Was will Er denn mit der ungeheuren Zeit all anfangen? Teil Er sich ein, Woyzeck!

WOYZECK: Jawohl, Herr Hauptmann.

HAUPTMANN: Es wird mir ganz angst um die Welt, wenn ich an die Ewigkeit denke. Beschäftigung, Woyzeck, Beschäftigung! Ewig: das ist ewig, das ist ewig - das siehst du ein; nur ist es aber wieder nicht ewig, und das ist ein Augenblick, ja ein Augenblick - Woyzeck, es schaudert mich, wenn ich denke, daß sich die Welt in einem Tag herumdreht. Was 'n Zeitverschwendung! Wo soll das hinaus? Woyzeck, ich kann kein Mühlrad mehr sehen, oder ich werd melancholisch.

WOYZECK: Jawohl, Herr Hauptmann.

HAUPTMANN: Woyzeck, Er sieht immer so verhetzt aus! Ein guter Mensch tut das nicht, ein guter Mensch, der sein gutes Gewissen hat. - Red er doch was Woyzeck! Was ist heut für Wetter?

WOYZECK: Schlimm, Herr Hauptmann, schlimm: Wind!

HAUPTMANN: Ich spür's schon. 's ist so was Geschwindes draußen: so ein Wind macht mir den Effekt wie eine Maus. - Pfiffig: Ich glaub', wir haben so was aus Süd-Nord?


Quelle: http://gutenberg.spiegel.de/?id=5&xid=263&kapitel=1#gb_found

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